Green IT: Wenn Rechenzentren in die Luft gehen
Die Entwicklung von Rechenzentren befindet sich seit einigen Jahren in einem deutlichen Umbruch. Wer heute ein Rechenzentrum plant und baut muss berücksichtigen, dass die Komplexität im Zuge der Digitalisierung noch deutlich zunehmen wird. Ebenso wie die Ansprüche an eine sichere Datenhaltung und der Energiehunger solcher moderner Rechenzentren. Die IT-Infrastruktur bildet die Basis für die IT selbst. Inzwischen aber ist die komplette Wirtschaft davon abhängig, dass diese Infrastrukturen hoch verfügbar, sicher, kosteneffizient und so klimaneutral wie möglich arbeiten. Jeder Ausfall hat unmittelbare Auswirkungen und verursacht Schäden entlang der kompletten Wertschöpfungskette.
Der Kostenfaktor
Neben Fragen der Skalierbarkeit, Ausfallsicherheit und nach dem Datenschutz gewinnt der Bereich Energiekosten mehr und mehr an Bedeutung. Angetrieben nicht zuletzt durch die inzwischen rasant wachsende Implementierung von Cloud-Anwendungen.
Hier verspricht Green IT gerade für Rechenzentren ein brauchbares Modell bereitzustellen. Green IT ist kein neuer Begriff. Er wurde um 1992 in den USA geprägt als die US-Behörde EPA das Energy Star-Label ins Leben rief. Die europäischen Wurzeln liegen in der Umweltinformatik und lassen sich bis etwa1980 zurückverfolgen. Der Begriff wird allerdings bis heute nicht immer ganz trennscharf verwendet. Grundsätzlich versteht man unter Green IT „Bestrebungen, die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) über deren gesamten Lebenszyklus hinweg umwelt- und ressourcenschonend zu gestalten. Dies beinhaltet die Optimierung des Ressourcenverbrauchs während der Herstellung, des Betriebs und der Entsorgung der Geräte (Green in der IT).“ Zusätzlich meint Green IT, durch den Einsatz von Informationstechnologie Energie zu sparen.
Energiehungrige Rechenzentren
Rechenzentren haben einen nicht ganz unerheblichen Anteil am Stromverbrauch. Mit stark steigender Tendenz. Es liegt also nahe zu untersuchen, inwieweit gerade die erneuerbaren Energien sich eignen, Rechenzentren zu versorgen. Dazu muss man sicherstellen, dass die fluktuierenden Energieströme der erneuerbaren Energien wie beispielsweise der Windkraft die Versorgung ununterbrochen laufender moderner Rechenzentren gewährleisten. Da hier die beiden bisher eher getrennten Bereiche IT und Energie zusammen kommen, gehören bei der Planung Spezialisten aus beiden Gebieten an einen Tisch. Denn 24×7 an 365 Tagen bedeutet nicht, dass auch der Energiebedarf immer gleich ist. So gibt es beispielsweise langwierige Simulationsprozesse in Rechenzentren, die mehrere Tage dauern, sich aber vergleichsweise einfach zeitlich verlagern lassen.
„Rechenzentrum unter Rotorblättern“
So in etwa titelte vor kurzem, das einschlägige IT-Portal Datacenter-Insider. Gemeint ist ein Pilotprojekt der Westfalen Wind IT GmbH & Co KG und deren eingetragener Marke, den sogenannten „WindCORES“. Das Projekt geht bei der Versorgung eines Rechenzentrums aus Windkraft konsequent noch einen Schritt weiter. Hier wird nicht nur das Rechenzentrum aus einer erneuerbaren Energiequelle mit Strom versorgt, hier verschmelzen Windenergie-Anlagen mit der Dienstleistung IT-Hosting. Ziel ist es, die IT-Systeme von Unternehmenskunden sicher unterzubringen und zuverlässig aus erneuerbaren Energiequellen zu versorgen.
Dabei gibt es verschiedene Optionen. So kann das Stromangebot über einzelne Racks verteilt sein oder aber in unabhängigen Zellen, den sogenannten WindCORES (die Kunden im Übrigen auch zur alleinigen Nutzung zur Verfügung stehen). Die zum Patent angemeldete Architektur hat eine ganze Reihe von Vorteilen, da sie energieintensive Rechenleistungen direkt in die Windkraftanlage verlegt. Ein weiterer Nachhaltigkeitsaspekt: Statt mühsam nach geeigneten Standorten zu suchen und neu bauen zu müssen, nutzt man die bereits vorhandenen Gebäude.
Dass es sich hier um echte Green IT handelt, spiegelt sich unter anderem in den niedrigen Stromkosten von Preisen netto 15 ct/kWh wieder, und das sogar inklusive aller Abgaben und Umlagen. Im Vergleich zum Wettbewerb konkurrenzlos niedrig. Die IT eines Kunden ist dabei direkt und hochsicher in die Windparks integriert. Die mehrfache Anbindung an die Energieerzeuger und die Kommunikationsnetze ist dadurch nahezu verlustfrei. Ein Kunde kann innerhalb der verteilten Architektur den physikalischen Grad der Verteilung entlang von Racks oder WindCORES festlegen und so individuell und nach Verfügbarkeit skalieren. Eine Herausforderung bei diesem außergewöhnlichen Projekt: Die Trafostation der Windkraftanlage und der Rechenknoten dürfen sich nicht gegenseitig beeinflussen. Das interferenzfreie Konzept wurde innerhalb des Pilotprojekts am Software Innovation Campus der Universität Paderborn (SICP) gemeinsam mit dem Partnerunternehmen dtm entwickelt.
Voraussetzung ist allerdings, dass auch der Windpark selbst optimal überwacht wird.
Mit Sicherheit …
Über einen kleinen Umweg stießen die Verantwortlichen von Westfalen Wind vor einiger Zeit auf den WinCC Open Architecture-Standard von Siemens, den auch das „energy service portal“ von ee technik als Basis verwendet.
Die offene und plattformunabhängige Architektur von WinCC OA erleichtert es, über unterschiedliche Schnittstellen Geräte anzubinden und vor allem Daten auszutauschen. Dazu gehören das Erfassen der Livedaten, sowie des Anlagenstatus, das Archivieren der Daten für eine spätere statistische Auswertung, Analyse und weitere Planung, das Einbinden der verschiedenen Umspannwerke und so weiter. Solche SCADA-Systeme überwachen eine Vielzahl von Prozessen und bieten dazu verschiedene Basis- beziehungsweise Standardfunktionen wie Datenerfassung, Visualisierung, Archivierung, Alarmierung, Trenddarstellungen und Zeiterfassungssysteme.
Stichwort IT-Sicherheit: Die ausgetauschten Daten sind besonders sensibel und vertraulich; es muss also gewährleistet sein, dass jeder der Akteure nur auf die Daten zugreifen kann, die er tatsächlich benötigt beziehungsweise er nur die Daten sieht, die ihn betreffen. Dabei helfen eine gesicherte, eventorientierte, verschlüsselungsfähige, durchgängige Kommunikation und eine konsistente Datenhaltung sowie vordefinierte User-Rollen. Auch diese Lösung ist redundant ausgelegt und integriert SNMP-Netzwerküberwachung. Inzwischen hat eet eine zusätzliche Videoanwendung in das energy service portal integriert mit der die Hardware des Rechenzentrums überwacht wird.
Wie eingangs beschrieben ist für die Betreiber von Rechenzentren die Verfügbarkeit desselben entscheidend. Erst danach wird in aller Regel über die anfallenden Energiekosten nachgedacht. Deshalb sind die WindCORES auf allen Ebenen redundant ausgelegt.
Sie sind über eine 1 Gbit/s-Glasfaser und über eine eigens installierte Richtfunkstrecke erreichbar. Bei der Stromanbindung kann man neben dem Windstrom auch auf die Dienste von zwei verschiedenen Netzbetreibern zugreifen. Derzeit sind die WindCORES in der zweithöchsten von vier möglichen Verfügbarkeitsklassen eingestuft. Das hat einen Grund, denn noch sind die Rechenknoten nur in einer Windkraftanlage installiert. Sind die WindCORES aber erst ein Mal in verschiedenen Windkraftanlagen umgesetzt und in der Lage die Daten untereinander auszutauschen, kann das Konzept selbst die höchste Verfügbarkeitsklasse erreichen. Auch der Aspekt der Datensicherheit spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle. Gerade im Licht der im kommenden Jahr im Mai in Kraft tretenden EU-Datenschutzgrundverordnung betrachtet, ist es für Firmen immens wichtig zu wissen, wo ihre Daten liegen, und wo sie weiter verarbeitet werden.
Die wichtigsten Aspekte auf einen Blick:
- Sicherheit: Die Daten werden in IT-Safe-Schränken im Turmfuss einer Windenergieanlage der Verfügbarkeitsklasse 3 aufbewahrt; sämtliche Betriebszustände werden in Echtzeit überwacht und der Schutz vor Zugriff, Feuer und EMV ist integriert.
- Die Stromanbindung ist redundant ausgelegt und hochverfügbar; zum einen durch das Windparknetz selbst und zusätzlich durch zwei unabhängige Übertragungsnetze.
- Es handelt sich um eine gespiegelte, geclusterte, dezentrale Netzstruktur; die Rechenknoten in einem oder in mehreren Windparks sind virtuell miteinander verbunden.
- Internetanbindung: Redundant über Glasfaser und Direktfunk; Kunden können die benötigte Bandbreite individuell anpassen. DDoS-Angriffe auf Hosting-Provider haben in den letzten beiden Jahren stark zugenommen. Das gilt sowohl für Volumenangriffe als auch für kurze Attacken mit geringer Bandbreite, die oftmals Malware-Angriffe im Schlepptau haben. Deshalb ist hier ein Schutz vor DDoS-Angriffen zusätzlich installiert.
Johannes Lackmann, einer der Ideengeber, Windpionier und Unternehmer aus Paderborn, verfolgte schon lange den Ansatz, vor Ort produzierten Ökostrom möglichst auch ortsnah wieder zu verbrauchen. Der im Zuge der Digitalisierung stetig steigende Energiebedarf wurde dann sozusagen zum Geburtshelfer der WindCORES-Idee. Erster Kunde des Pilotprojektes war die Universität Paderborn, die ab der Inbetriebnahme einen Testbetrieb durchgeführt hat. Westfalen WIND IT‐ Geschäftsführer Frithjof Dubberke : „Grüner Strom ist im Überfluss vorhanden – wir können hier echte Green IT bereitstellen. Und das vermutlich aus dem wohl weltweit höchsten Serverraum.“