Alles rechtsicher, oder? Das Urteil des OVG Schleswig und die folgen eine Zwischenbilanz

Es hat sich was geändert, und nicht nur in Schleswig-Holstein. Mit dem viel diskutierten Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Schleswig ist eine kontroverse Diskussion um die Flächenzuweisung für Windkraftanlagen entbrannt. Worum geht es im Einzelnen?

Bisher konnten die Gemeinden im nördlichsten Bundesland selbst entscheiden ob sie Windräder wollen oder nicht. Die Wünsche der Gemeinden, ob oder ob nicht, wurden von der Landesregierung berücksichtigt, die Regionalpläne entsprechend erstellt und Flächen demgemäß für den Bau von Windkraftanlagen ausgewiesen.


Das Urteil des OVG

„Die Teilfortschreibung des Regionalplans 2012 des Landes Schleswig-Holstein für die Planungsräume I und III zur Ausweisung von Eignungsgebieten für die Windenergienutzung ist unwirksam.“ So heißt es im Amtsdeutsch in der Verlautbarung des 1. Senats des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichtes. Der Senat kippte damit am 21. Januar 2015 nach einer mündlichen Verhandlung die bisher geltende Regelung. Ursprüngliche Grundlage war der Landesentwicklungsplan von 2010, der im Übrigen alles andere als unumstritten war. In diesem Plan wurde festgeschrieben, dass zirka 1,5% der Landesfläche als Eignungsgebiete für die Windenergienutzung festzulegen seien.

 

Auf dieser Basis ermittelte die Planungsbehörde nach rein fachlichen Gesichtspunkten geeignete Flächen; eine Unterscheidung beispielsweise von politisch motivierten Entscheidungen ist wichtig. Aber: Gemeinden, die gegen eine „Verspargelung der Landschaft“ waren oder aus anderen Gründen keine Windkraftanlagen ansiedeln wollten, wurden ausgenommen. Da die Meldung der Potenzialflächen aus den Kreisen nicht deckungsgleich mit denen der Landesplaner waren, gab es im Juli 2011 eine Teilfortschreibung und eine weitere Änderung der Pläne durch die Landesplaner (die letzte davon ohne eine weitere Einbeziehung der Öffentlichkeit). Diese Feststellung der Teilfortschreibung – also die im Juli 2012 veröffentlichte Planungsfestsetzung – war für die Antragssteller vor dem OVG der Stein des Anstoßes.

 

Diesem Antrag ist das OVG Schleswig-Holstein mit seinem Urteilspruch vom Januar dieses Jahres nun weitgehend gefolgt. Das Gericht bemängelt in den zugrundeliegenden Fällen habe es schwerwiegende Planungs- beziehungsweise Verfahrensfehler gegeben. Und aus eben diesen leite sich die Unwirksamkeit der Teilfortschreibungspläne ab.

 

Am 12. März 2015 ist den Beteiligten bereits die Urteilsbegründung zugegangen und das Urteil somit rechtskräftig. Werden innerhalb der zulässigen Fristen keine Beschwerden erhoben, ist das Urteil von den zuständigen Behörden zu berücksichtigen und von den Genehmigungsbehörden zu beachten. Soweit die Gesetzeslage.

 

Schon Anfang Februar hatte sich der Schleswig-Holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig mit dem Bundesverband Windenergie und dem Gemeindetag getroffen. Einen Wildwuchs statt eines gewollten und kontrollierten Ausbaus wolle man unbedingt verhindern, hatte Albig vernehmen lassen. „Hunderte von Städten und Gemeinden haben in den vergangenen Jahren eine intensive Bürgerbeteiligung durchgeführt, und wir wollen, dass dieser Bürgerwille jetzt auch weiterhin Beachtung findet. Wir wollen einen weiteren entschlossenen Ausbau der Windenergie in den bisherigen Eignungsgebieten und wollen aber auch weiterhin diejenigen Gemeinden schützen, die sich bisher gegen Windkraft entschieden haben.“

 

Ein Widerspruch zum Urteil des OVG? Für das OVG war es entscheidend, wie die Entscheidung der Kommunen zustande gekommen ist: Aus politischen Gründen oder auch anhand fachlicher Kriterien. Auf diese kritische Unterscheidung weist ebenfalls der Energieblog hin. Und darauf, dass ein Raumordnungsplan nicht allein deshalb für unwirksam erklärt werden kann, weil bei der Planung Kreise und Gemeinden einbezogen worden sind.

 

Und die Folgen

Schon sehr zügig mahnte auch der Vereinsgeschäftsführer der windcomm, Martin Kopp: „Wir wollen die Betroffenen – Kommunen, Landesregierung und Windparkplaner – beratend unterstützen. Bei allen ist in dieser Situation Augenmaß gefragt, um die mehrheitliche Akzeptanz der Windkraftnutzung in Schleswig-Holstein zu erhalten.“

Die 95 im Verein windcomm zusammengeschlossenen Unternehmen erlebten mit den 2012 veröffentlichten Regionalplänen einen deutlichen Aufschwung und allein im letzten Jahr seien laut windcomm 455 neue Windkraftanlagen gebaut worden.

 

Der Regionalplan hatte allerdings nicht nur reine Freude ausgelöst, denn neben den Gemeinden, die sich ausdrücklich gegen einen Ausbau entschieden hatten, fanden andere, dass sie bei der Ausweisung der Eignungsflächen zu kurz gekommen seien. Eine heikle Gemengelage, da jetzt die politischen Leitlinien fehlen, kritisiert der Bundesverband Windenergie.

 

Eigentümer von Windkraftanlagen und Windparks, die auf Grund eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes errichtet wurden, können zwar unbesorgt sein: Die Anlagen genießen Bestandschutz. Ganz anders sieht es mit den Anlagen aus, die noch nicht genehmigt waren und die in Gebieten liegen, die im Rahmen der Teilfortschreibung als geeignet ausgewiesen worden sind. Mit einem rechtskräftigen Urteil wäre die Teilfortschreibung unwirksam. Noch nicht genehmigte Windkraftanlagen werden dann alle im Einzelfallverfahren geprüft.

 

Verlässlichkeit und Sicherheit sind wichtig in der Branche. In Schleswig-Holstein hat man sich auf die Zusagen der Landesplanung verlassen.

Und es ist keineswegs so, dass nach dem Urteil plötzlich überall Windkraftanlagen gebaut werden könnten. Denn die im Regionalplan ausgewiesenen Flächen sind mitnichten alle für eine Bebauung geeignet. Nach dem Urteil ist es jetzt allerdings wieder so, dass alle Flächen potenziell in Frage kommen. Zukünftig wird also jedes einzelne Projekt im Hinblick auf seinen Rahmen dezidiert geprüft werden. Schnelle Zusagen sind eher nicht zu erwarten.

 

Die Landesregierung jedenfalls will es mit der Verunsicherung nicht auf sich beruhen lassen. Sie hat am 1. April 2015 Rechtsmittel gegen das Urteil des OVG eingelegt. Begründung: „Wir haben nach einer ersten Prüfung der Urteilsbegründung heute fristwahrend Rechtsmittel eingelegt, weil wir die Möglichkeit einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht offen halten wollen“, sagte Ministerpräsident Torsten Albig. Das entspreche dem breiten Konsens und der Erwartungshaltung aller Beteiligten. Es bleibt also spannend.

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