Mit der Liberalisierung der Energiemärkte hat sich einiges geändert und die Preise für die Stromerzeugung ergeben sich jetzt aus dem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Das gilt auch für den Stromhandel. Ausgenommen vom Wettbewerb ist lediglich der Transport des Stroms. Hier greift der Staat über die Bundesnetzagentur regulierend ein.
„Grundsätzlich führt der Stromhandel zu Lieferverträgen, die einen Lieferanten zur Einspeisung gewisser Energiemengen in das öffentliche Stromnetz verpflichten, während der Abnehmer dieselbe Menge gleichzeitig dem Netz entnimmt (oft an anderer Stelle)“, wie das RP-Energie-Lexikon definiert.
Dieser Stromhandel findet entweder an einer Strombörse wie der in Europa umsatzstärksten, der European Energy Exchange (EEX) in Leipzig, oder außerbörslich statt. An einer Strombörse wird der Strom am sogenannten „Spotmarkt“ für den nächsten Tag oder die nächste Stunde gehandelt und am Terminmarkt für die langfristige Strombeschaffung.
Beim außerbörslichen Handel dem „Over-the-Counter“-Handel treffen entweder Anbieter und Käufer direkt aufeinander oder Broker übernehmen eine Vermittlungsfunktion. Diese Form des Handels ist gerade in Deutschland noch weit verbreitet und nicht ganz unproblematisch. Der Marktplatz Strombörse ist öffentlich und funktioniert nach transparenten Regeln zu Angebot und Nachfrage. Schließlich haben alle Zugang zu denselben Informationen. Im OTC-Handel gibt es dagegen viele Unbekannte. Und auch wenn sich die Preise an denen der Börsen orientieren, beeinflussen gezielte Käufe unter Umständen die Markpreise.
DIE AKTEURE
Am Energiemarkt tummeln sich verschiedene Akteure. In erster Linie sind das Kraftwerksbetreiber sowie die ehemaligen Monopolisten, wie die vier großen Übertragungsnetzbetreiber E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall. An den Energiebörsen stehen die Übertragungsnetzbetreiber auf der Seite der Nachfragenden, die den erworbenen Strom an die Verteilungsnetzbetreiber weitergeben. Gelegentlich kaufen auch Großkunden direkt an der Börse ein.
Aber auch die Anbieter von Strom aus erneuerbaren Energien speisen verstärkt in die Stromnetze ein. Betreiber virtueller Kraftwerke, große Erzeugungsanlagen ebenso wie viele kleinere Erzeugungseinheiten wollen ihren Strom möglichst gewinnbringend verkaufen. Gerade für die Betreiber kleinerer Erzeugungseinheiten ist es allerdings alles andere als trivial die Voraussetzungen für die Vermarktung des Stroms an der Börse zu schaffen und den komplexen Prozess erfolgreich umzusetzen. Für die Einspeisung am Netzübergabepunkt spielen Regeltechnik und betriebswirtschaftliche Auswertungen eine wichtige Rolle, will man beim Einspeisemanagement das technisch mögliche mit dem wirtschaftlich notwendigen in Einklang bringen. Das gilt für EZE, Mischparks und Betreiber virtueller Kraftwerke, in denen verschiedene EZE zusammengefasst sind, gleichermaßen.
MÄRKTE UND PREISE
Zahlreiche Faktoren beeinflussen wie sich der Strompreis bildet. Das Grundprinzip der Preisbildung ist die Merit-Order. Damit meint man konkret den Schnittpunkt zwischen Angebot und Nachfrage innerhalb eines bestimmten Zeitintervalls. Das Merit-Order-Verfahren erklärt beispielsweise das Energie-Lexikon im Detail.
Grundsätzlich gilt beim Merit-Order-Prinzip, dass die insgesamt zu liefernde Leistung im Schnittpunkt der Angebots- und der Nachfragekurve liegt. Der so ermittelte Strompreis gilt dann ausnahmslos für alle Stromlieferungen in Zusammenhang mit einem bestimmten Produkt. Da inzwischen vermehrt erneuerbare Energien gehandelt werden, gefördert gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz, verschieben sich die Werte im Merit-Order-Diagramm und der Marktpreis sinkt tendenziell. Umgekehrt beeinflusst eine Nichtverfügbarkeit eines Kraftwerks den Preis in die umgekehrte Richtung. Neben dem Merit-Order-Prinzip sind zusätzlich diverse Anpassungseffekte bedeutsam.
Um Missbrauch zu verhindern wird der Stromhandel an den Börsen staatlich überwacht, in Europa unter dem Einfluss der Europäischen Union mit dem Ziel langfristig einen europäischen Binnenmarkt zu schaffen.
DIE HANDELSFORMEN
An den Strombörsen gibt es verschiedene Handelsformen wie den Day-Ahead-Markt, den Intraday-Handel und den bereits erwähnten Terminhandel.
Der Day-Ahead-Markt, an dem ein überwiegender Teil des Handels stattfindet, ist ein Spotmarkt. Hier werden die Stromlieferungen für den kommenden Tag aufgrund aktueller Verbrauchsprognosen gehandelt.
Diese werden natürlich auch den Anlagenbetreibern übermittelt. Mit Hilfe der Spotpreis-Prognosen können Anlagenbetreiber beispielsweise ein bedarfsgerechtes Einspeisemanagement planen.
Demgegenüber findet der Intraday-Handel rund um die Uhr statt. Über ihn versuchen die Händler mögliche Differenzen beim im Bilanzkreis vorhandenen Strom auszugleichen und entsprechend zu kaufen oder zu verkaufen. Gehandelt wird bis zu 45 Minuten vor dem eigentlichen Lieferbeginn.
Für einen Anlagenbetreiber, der seine Anlage vergleichsweise flexibel betreiben kann, also gegebenenfalls schnell herunter- und wieder hochfahren kann, ist diese Handelsoption interessant, um bessere Erlöse zu erzielen. Am Terminmarkt werden wie schon erläutert längerfristige Geschäfte getätigt und die Lieferungen erfolgen unter Umständen erst nach ein bis mehreren Jahren.
Der Regelenergiemarkt ist von den genannten völlig losgelöst und ein eigenständiger Markt. Die Regelenergie sorgt bekanntlich dafür, dass das Stromnetz stabil bleibt.
Man unterscheidet dabei:
- Primärregelenergie
- Sekundärregelenergie und
- die Minutenreserve.
Diese Regelenergie steht als zusätzlich abrufbare Reserve zur Verfügung und wird wesentlich teurer gehandelt als „regulär“ gelieferte Energie. Meist nehmen Gas- und Wasserkraftwerke, die extrem schnell hochgefahren werden können an diesen Regelmärkten teil. Vermehrt sind dort nun auch Stromspeicher zu finden die ihre Leistung über den Regelenergiemarkt anbieten und damit ihren Beitrag zur Netzstabilität leisten.
Im Blog von Next Kraftwerke erklärt: „Ist eine Anlage für den Regelenergiemarkt zugelassen, speist sie wie gewohnt ein. Vermarktet wird am Regelenergiemarkt die flexible Leistung, welche die Anlage prinzipiell für einen Abruf vorhalten kann. Wenn es zu einem Regelenergieabruf kommt (weil zu viel oder zu wenig ins Netz eingespeist wurde), wird die Anlage entsprechend aus der Leitstelle des Vermarkters geregelt, (…).“
Dass und wie virtuelle Kraftwerke Regelenergie bereitstellen können, haben wir in diesem Post ebenfalls schon ein mal skizziert.
DIE ERNEUERBAREN UND DER STROMHANDEL
Grüner Strom kommt vermehrt aus dezentralen Anlagen, so dass der Handel hier anders organisiert werden musste als bei den Großproduzenten. Vor der verpflichtenden Direktvermarktung wurde der erzeugte Strom gemäß EEG vom jeweiligen Verteilungsnetzbetreiber abgenommen, nach der gesetzlich geregelten Einspeisevergütung bezahlt und an den Übertragungsnetzbetreiber weiter geleitet. Inzwischen muss der Strom direkt an der Börse gehandelt werden. Das übernehmen Direktvermarkter wie beispielsweise Neas Energy oder Clean Energy Sourcing. Solche Direktvermarkter melden die betreffende Anlage in ihrem Bilanzkreis an und führen sie nach Vertragsende in die Einspeisevergütung zurück. Der Strom wird dabei so abgenommen wie er erzeugt wird, also unstrukturiert. Für den erzeugten Strom wird ein in der Regel fixes Vermarktungsentgelt fällig. Allerdings trägt der Direktvermarkter auch einen Teil des Risikos, zum Beispiel bei abweichenden Prognosen oder wenn eine Anlage ausfällt.
Der Energiemarkt ist 1998 liberalisiert worden, aber mit der Energiewende stellen sich viele Fragen neu, unter anderem die der Versorgungssicherheit zum Beispiel bei Hochlastanforderungen in wind- und sonnenarmen Zeiten. Zudem stellt sich die Frage, ob ein Energy-Only-Markt überhaupt in der Lage ist, die Kosten für Windkraft- und Solaranlagen zu refinanzieren.
Vereinigungen wie Agora Energiewende beschäftigen sich mit dem Thema wie ein Energiewendemarkt aussehen könnte und haben bereits entsprechende Thesen für sogenannte Kapazitätsmärkte ausgearbeitet.