Am 19. Mai 2017 war es soweit – die Bundesnetzagentur veröffentlichte die Ergebnisse der ersten Wind-Ausschreibung. Einhellig positiv bewerteten Verbände und Medien die hohe Zahl der von Bürgerenergiegesellschaften eingereichten Gebote. Insgesamt 70 % entfielen auf die Bürgerenergie. Die Ergebnisse hat unter anderem die Windenergie Agentur (WAB) zusammengefasst: „Für das Ausschreibungsvolumen von 800 Megawatt (MW) wurden 256 Gebote mit einem Volumen von 2.137 MW abgegeben. Davon wurden 70 Projekte mit einem Volumen von 807 MW bezuschlagt. Der durchschnittliche Zuschlagswert lag bei 5,71 Cent/Kilowattstunde. Lediglich zwölf Gebote wurden vom Verfahren ausgeschlossen. 96 Prozent des Zuschlagsvolumens entfallen auf Bürgerenergiegesellschaften. Aufgrund der mehrfachen Überzeichnung hat sich das Ausschreibungsverfahren als ausgesprochen wettbewerblich erwiesen.“
Bürgerenergiegesellschaften, die großen Gewinner?
Ob die Bürgerenergiegesellschaften der Sache nach tatsächlich als Sieger betrachtet werden dürfen wird hingegen unterschiedlich bewertet. Die auf Erneuerbare-Energien-Recht spezialisierte Kanzlei Maslaton gibt immerhin zu bedenken, dass es sich auch um ein strategisches Bieterverhalten gehandelt haben könnte. Außerdem ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt, ob es sich um sogenannte privilegierte Bürgerenergiegesellschaften nach §3 Nr. 15 EEG 2017 gehandelt hat. Diesen Bürgerenergiegesellschaften ist es nämlich gestattet sich an Ausschreibungen zu beteiligen, ohne dass ihnen bereits eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt wurde. Zudem gilt für genau diese privilegierten Bürgerenergiegesellschaften, dass „der Zuschlagswert grundsätzlich nicht nach dem eigenen jeweils gebotenen Wert, sondern nach dem höchsten noch bezuschlagten Gebotswert bestimmt wird. Dies eröffnet Raum für strategisches Bieterverhalten und Spekulationen. Insofern ist zweifelhaft, ob sich für alle Bieter eine auskömmliche Förderung ergibt“, bilanziert Maslaton etwas weniger euphorisch als andere Kommentatoren. Was die erteilte oder nicht erteilte Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz anbelangt, so haben nach einer Meldung des IWR 95 Prozent der beteiligten Bürgerenergieprojekte von der besonderen Regelung Gebrauch gemacht, sich auch ohne eine bereits erteilte Bewilligung an der Ausschreibung zu beteiligen. Das hat auch Auswirkungen auf den Realisierungszeitraum, der sich von 24 Monaten auf 54 Monate nach der öffentlichen Bekanntgabe der Ergebnisse verlängert. Inwieweit man also bei der Energiewende in Sachen Windenergie-Ausbau im Zeitplan liegt, lässt sich damit deutlich schlechter prognostizieren. Klarheit gibt es erst in etwa viereinhalb Jahren, 2021, wenn die verlängerten Realisierungsfristen enden. Andreas Wellbrock, Geschäftsführer der WAB e.V. ist trotzdem zuversichtlich: „Die Ergebnisse der ersten Ausschreibungsrunde für Wind an Land zeigen, dass die Windenergie die fossile Konkurrenz abgehängt hat. Jetzt sollten die gemeinsamen Anstrengungen in den Netzausbau, die Sektorenkoppelung und die Weiterentwicklung von Speichern fließen. Deutschland hat alle erforderlichen Instrumente in der Hand, um den Klimaschutz mit der Energiewende erfolgreich und kostengünstig zu verwirklichen.“ Insbesondere politische Vertreter begrüßen zudem, dass die erste Wind-Ausschreibung gezeigt habe, dass die Akteursvielfalt tatsächlich gewährleistet bleibt. Staatssekretär Baake von den Grünen kommentierte sichtlich zufrieden: „Die Auseinandersetzungen über die Ausschreibungen und vor allem die genaue Ausgestaltung derselben „haben sich gelohnt“, meinte er. Das Ministerium und die BNetzA hätten „ausgewertet, was anderswo schief gelaufen ist“, betonte er. Und dann seien offenbar die „richtigen Weichen gestellt“ worden, sagte er. „Die hohe Akteursvielfalt ist das Rückgrat der Energiewende“, sagte Baake. Es habe sich gelohnt, genau zu definieren, was unter Bürgerenergie verstanden werde. Der Erfolg der Bürgerenergie-Initiativen zeige auch, dass diese „regional verwurzelt“ seien und deshalb auch auf eine „hohe Akzeptanz“ zählen könnten.“ An der Spitze was die Zuschläge anbelangt liegt übrigens Niedersachsen mit 18 Zuschlägen und einer Leistung von 246,8 Megawatt, gefolgt dann von Schleswig-Holstein mit 17 Zuschlägen und einem Volumen von 119,9 Megawatt. Die zweite von insgesamt drei geplanten Ausschreibungsrunden beginnt dann am 1. August. Auch BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer wertet die Ergebnisse der ersten Ausschreibungsrunde positiv. Sie sind ein Ausweis dessen, dass die Entscheidung richtig war die Förderhöhe für erneuerbare Energien über Auktionen zu ermitteln. Das habe sich nicht negativ auf die Akteursvielfalt ausgewirkt und als effizient erwiesen. Zweifler sehen allerdings durchaus die Möglichkeit, dass sich hinter einigen der Bürgerenergiegesellschaften auch Großinvestoren verbergen könnten. Die dahingehenden Prüfungen der Ergebnisse stehen noch aus. Dem vieldiskutierten aber wissenschaftlich eher wenig untersuchten Thema Akteursvielfalt hatte sich die Stiftung Umweltenergierecht schon 2014 mit einem eigenen Diskussionspapier gewidmet. Vielfalt sei eben nicht gleich Vielzahl. Insbesondere nach dem Inkrafttreten des neuen EEG 2017 hat sich die Stiftung mit den Sonderregelungen für Bürgerenergiegesellschaft befasst und jüngst eine Studie dazu vorgelegt. Projektleiterin Ilka Hoffmann bei der Vorstellung der Studie: „Das Hintergrundpapier widmet sich den Merkmalen einer Bürgerenergiegesellschaft, den für sie geltenden Teilnahmebedingungen im Ausschreibungsverfahren und den daraus folgenden Herausforderungen und Erleichterungen. Die zahlreichen Rückmeldungen zeigen uns, dass es ein großes Interesse der Anwender gibt, wie die Regelungen im Einzelnen zu verstehen sind.“ Es besteht also ganz offensichtlich noch ausreichend Klärungsbedarf.
Stichwort „Technologieübergreifende Ausschreibungen“
Die Herausforderungen werden derweil nicht weniger, denn es gibt einen europäischen Trend zu technologieneutralen Ausschreibungen. Entsprechende Pilotverfahren sind bereits für das kommende Frühjahr geplant. Die neuen Regelungen sollen dann erstmals für eine gemeinsame Ausschreibung für Wind- und Solaranlagen gelten sowie für eine Innovationsausschreibung. Fabian Pause, der bei der Stiftung die Arbeiten zum Europarecht und zur Rechtsvergleichung leitet: „Es gibt in Europa einen Trend zur Angleichung des Förderdesigns. Den muss man nicht, schon gar nicht in all seinen Ausprägungen, für gut befinden, aber ihn zu ignorieren, wäre fatal.“ Mit den Pilotprojekten, die in dieser Form eine Kompromisslösung sind, ist jedenfalls ein Rechtsrahmen für die nächsten Jahre gesetzt. Die Leitgedanken des EEG 2017, das hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bekräftigt gelten auch für die angesprochen Pilotprojekte: – Der Ausbaukorridor für erneuerbare Energien wird eingehalten – Der weitere EE-Ausbau erfolgt kosteneffizient – Alle Akteure haben faire Chancen in der Ausschreibung. Die Akteursvielfalt wird gewahrt. – Die Rechtssicherheit wird erhöht Die Ergebnisse der technologieübergreifenden Ausschreibungen werden ergebnisoffen evaluiert und überprüft ob die folgenden Ziele erreicht werden: – Die Ausbauziele nach §1 EEG für erneuerbare Energien – Kosteneffizienz – Netz- und Systemintegration – Ein hinreichend diversifizierter Zubau Ansatzpunkte für die ebenfalls für das Frühjahr 2018 geplante Innovationsausschreibung sind die Fragen nach besonders systemdienlichen Technologien und nach einer besseren Ausnutzung der Netzkapazitäten. Auch im Hinblick darauf wie und wann sich Windenergie und Photovoltaik sinnvoll kombinieren lassen. Der Zeitplan ist einigermaßen ambitioniert, denn die betreffenden Eckpunkte erarbeitet das BMWi noch in diesem Jahr. Geplant ist, dass die Verordnung im März 2018 in Kraft treten kann.